Das Vier-Ohren-Modell, Teil 2

Das vergangene Skript lieferte Ihnen einige grundlegende Informationen zum Vier-Ohren-Modell – dieser Text wird diese Grundlagen vertiefen, indem wir uns die einzelnen Ebenen im Detail anschauen:

1. Die Sachebene

Auf der Sachebene des Gesprächs steht die sachliche Information im Vordergrund. Hier geht es um Zahlen, Daten und Fakten. Dabei gilt zum einen das Wahrheitskriterium wahr oder unwahr (zutreffend/unzutreffend), zum anderen das Kriterium der Relevanz (sind die aufgeführten Sachverhalte für das anstehende Thema von Belang/nicht von Belang?) und zum Dritten erscheint das Kriterium der Hinlänglichkeit (sind die angeführten Sachhinweise für das Thema ausreichend, oder muss zusätzlich etwas bedacht werden?)

Wenn Sie der Sender sind: Vermitteln Sie den Sachverhalt klar und verständlich! Der Empfänger, der über das Sachohr wahrnimmt, hört auf Daten, Fakten sowie Sachverhalte. Entsprechend der drei genannten Kriterien hat er viele Möglichkeiten, beim Sender mit Verständnisfragen nachzuhaken.

2. Die Appellseite

Appellseite: Wenn Sie Ihrem Gesprächspartner etwas mitteilen, wollen Sie in aller Regel auch etwas bewirken und ihn – bewusst oder unbewusst – beeinflussen. Sie wollen den anderen nicht nur erreichen, sondern Sie wollen mit Ihrem Appell-Schnabel auch etwas bei ihm erreichen. Offen oder verdeckt geht es auf dieser Ebene beispielsweise um Wünsche, Appelle, Ratschläge, Handlungsanweisungen und Effekte. Das Appell-Ohr ist folglich besonders empfangsbereit für die Frage: „Was soll ich jetzt machen, denken oder fühlen?“

3. Die Beziehungsseite

Die Beziehungsseite: Wenn Sie jemanden ansprechen, geben Sie (durch Formulierung, Tonfall, Mimik, usw.) auch zu erkennen, wie Sie zum anderen stehen und was Sie von ihm halten — jedenfalls bezogen auf den aktuellen Gesprächsgegenstand. In jeder Äußerung steckt somit auch ein Beziehungshinweis, für welchen der Empfänger oft ein besonders sensibles Beziehungs-Ohr besitzt. Aufgrund dieses Ohres wird entschieden: “Wie fühle ich mich behandelt durch die Art, in der der andere mit mir spricht? Was hält der andere von mir und wie steht er zu mir?”

4. Die Selbstkundgabe

Selbstkundgabe: Wenn Sie etwas von sich geben, geben Sie auch etwas von sich. Jede Ihrer Äußerungen enthält auch – gewollt oder ungewollt – eine Selbstkundgabe. Das sind Hinweise darauf, was in Ihnen vorgeht, wie Ihnen ums Herz ist, wofür Sie stehen und wie Sie Ihre Rolle auffassen. Dies können Sie klar und deutlich mit einer Ich-Botschaft ausdrücken, oder Ihre Selbstkundgabe schwingt ungewollt – meist unbewusst geäußert – mit. Dieser Sachverhalt macht jede Nachricht zu einem kleinen Abbild Ihrer Persönlichkeit:

Mit jeder Botschaft geben Sie dem Gesprächspartner etwas Ihrer Innenwelt preis.

Während Sie als Sender also mit dem Selbstkundgabe-Schnabel, unausgesprochen (implizit) oder ausdrücklich (explizit), Informationen über sich offenbaren, nimmt der Empfänger diese mit dem Selbstkundgabe-Ohr auf: „Was sagt mir das über den anderen? Was ist der für einer? Wie ist er gestimmt?“

5. Fazit und Beispiel für das 4-Ohren-Modell

5.1 Fazit

Die Ursache für viele Missverständnisse und Konflikte liegt darin, dass Botschaften beim Empfänger oft anders interpretiert werden, als sie der Sender gemeint hat. Der Grund dafür ist die häufig nur eindimensionale Wahrnehmung vieler Menschen. Jede Information hat aber immer vier Ebenen. In jeder Botschaft sind immer vier Nachrichten gleichzeitig enthalten: Wenn Ihr Gesprächspartner beispielsweise „verschnupft“ auf eine Ihrer Aussagen reagiert, dann liegt es vielfach daran, dass bei ihm ein Ohr „angesprungen“ ist, welches Sie gar nicht gemeint haben.

5.2 Beispiel (wie im Seminar besprochen, nach Schulz von Thun):

Ein Ehepaar fährt Auto, sie sitzt am Steuer und wartet an einer Ampel:

Mann: „Du, da vorne ist grün!

Frau: „Fährst du oder fahre ich!?

Diese Situation, die auch leicht zu einem Ehestreit führen kann, lässt sich mit dem 4-Ohren-Modell gut nachvollziehen. Der Mann will vielleicht einfach nur eine Sachinformation geben („Die Ampel steht auf grün“), da seine Frau das Signal übersehen hat. Die Reaktion der Frau deutet jedoch darauf hin, dass die Nachricht bei ihr anders angekommen ist, nämlich auf der Beziehungsebene. Sie fühlt sich – vielleicht zu Recht – von ihrem Mann bevormundet (sie hört: „Du brauchst meine Hilfe, weil Du nicht Auto fahren kannst“) und wehrt sich dagegen.

Die Aussage des Mannes beinhaltet auch eine Selbstoffenbarung („Ich bin ein aufmerksamer und fahrtüchtiger Fahrer und Beifahrer“ oder „Ich habe es eilig“).

Es kann auch sein, dass der Mann einfach einen Appell senden will, damit seine Frau losfährt, bevor von hinten ein Fahrzeug auffährt.

Die Reaktion der Frau in diesem Beispiel zeigt, dass die Kommunikation zwischen den beiden gestört ist. In dieser Situation helfen klärende Fragen und ganz generell klärende Gespräche. Wenn die Frau sich im beschriebenen Beispiel bevormundet fühlt, dann sendet sie eine unausgesprochene (implizite) Botschaft. Sie sagt nicht direkt, was sie eigentlich meint. Bei einer ausdrücklichen (expliziten) Botschaft würde sie z.B. antworten: „Du, ich habe gesehen, dass die Ampel grün ist, und bitte bevormunde mich nicht!

Stimmen bei einer Nachricht Mimik und Körpersprache mit der gesendeten Information überein, spricht man von Kongruenz (Deckungsgleichheit, Übereinstimmung): Die Aussage „Es geht mir nicht gut“ erscheint schlüssig, wenn dazu mit trauriger, leiser Stimme gesprochen wird und das Gesicht entsprechend traurig wirkt. Passt die Nachricht nicht mit der Mimik, dem Tonfall oder der Art der Formulierung zusammen, handelt es sich um eine inkongruente Nachricht. Derartige Nachrichten sind für den Empfänger schwer einschätzen, in diesen Fällen hilft das Wundermittel Fragetechnik.

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