Kritik konstruktiv formulieren: Du- und Ich-Botschaften

Konkret geht es um die beiden im Seminar besprochenen grundlegend unterschiedlichen Formen, Kritik zu äußern. Dazu stelle ich Ihnen – wie im Seminar – zwei Sätze vor und Sie beobachten bitte, welches Gefühl sie in Ihnen auslösen und wie Sie darauf reagieren würden.  

Stellen Sie sich vor, wir sind Kollegen und ich habe Ihnen vor kurzem erzählt, dass ich ins Waldstraßenviertel umziehen werde. Ich habe zwar nicht ausdrücklich gesagt, dass Sie das für sich behalten sollen, habe es aber unausgesprochen vorausgesetzt. Heute bin ich von anderen Kollegen breit grinsend auf meinen Umzug angesprochen worden („Du hast wohl im Lotto gewonnen?“) und weiß daher, dass Sie ihnen davon erzählt haben müssen (da ich niemandem außer Ihnen davon erzählt habe). Mir stehen jetzt mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, wie ich darauf reagieren kann – zwei Beispiele stelle ich Ihnen im Folgenden vor:  

Reaktion 1: „Immer müssen Sie alles weitertratschen! Ihnen kann man nichts anvertrauen. Sie sind echt das letzte Quatschfass!‘“ 

Oder:  

Reaktion 2: „Ich habe mitbekommen, dass Sie den Kollegen davon erzählt haben. Mir ist das unangenehm, dass sie davon etwas erfahren haben. Deshalb habe ich eine Bitte an Sie: Wenn wir zukünftig private Dinge besprechen, behalten Sie es bitte für sich. Ist das für Sie in Ordnung?“ 

Und? Wie haben Sie innerlich reagiert auf die beiden Aussagen? 

Die meisten Teilnehmer, mit denen ich diese Beispiele bespreche, sagen, dass sie sich bei Reaktion 1 angegriffen fühlen und den Impuls haben, sich zu verteidigen oder zum Gegenangriff übergehen. Bei Reaktion 2 fühlen sie sich eher betroffen, einige sagen, dass sie sich wahrscheinlich entschuldigt hätten. Häufig wird die zweite Variante als klarer und treffender wahrgenommen als die erste.  

Was war nun der Unterschied zwischen Reaktion 1 und Reaktion 2? 

Die Sätze aus Aussage 1 werden aggressiver wahrgenommen als die aus Aussage 2. Bei der ersten Reaktion wird der Gesprächspartner angegriffen und bei der zweiten das eigene Erleben geschildert. Darüber hinaus wird die zweite Variante als angemessener und konstruktiver empfunden als die erste. Der entscheidende Unterschied ist, dass in der ersten Reaktion Du-Botschaften und in der zweiten Ich-Botschaften verwendet werden. 

Die erste Reaktion sendet also Botschaften, die den Gesprächspartner angreifen und ihm die Schuld zuschieben. Diese Botschaften beginnen häufig mit „Du“ bzw. „Sie“, weil sie das Fehlverhalten des anderen herausstellen. Eine solche Du- oder Sie-Botschaft ist wie ein ausgestreckter Zeigefinger. Beispiele sind:  

• „Immer müssen Sie alles weitertratschen!“  
• „Ihnen kann man nichts anvertrauen.“ Und: „Sie sind echt das letzte Quatschfass!“ 

Dagegen stellt die zweite Reaktion die eigene Wahrnehmung in den Mittelpunkt. Hier wird die eigene Sichtweise und zum Teil auch das eigene Gefühl geschildert. Solche Sätze beginnen häufig mit dem Wort „Ich“ und werden deshalb „Ich-Botschaften“ genannt.  

Beispiele sind:  

• „Ich habe mitbekommen, dass Sie den Kollegen davon erzählt haben.“ 
• „Mir ist das unangenehm, dass sie davon etwas erfahren haben.“  
• „Deshalb habe ich eine Bitte an Sie: Wenn wir zukünftig private Dinge besprechen, behalten Sie es bitte für sich.“  

Du- oder Sie-Botschaften, wie z.B. „Immer müssen Sie alles weitertratschen!“, lösen überwiegend Widerwillen und Widerspruch aus. Ihr Gegenüber rechtfertigt sich, da ihm die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Verletzung und Ärger sind weitere typische Reaktionen auf Du-Botschaften.  

Ich-Botschaften hingegen lösen meist Betroffenheit aus. Ihr Gegenüber wird nachdenklich und ist eher zu einer Klärung des Themas bereit. 

Kurzum: Wenn Sie an einer langfristig starken Beziehung zu Ihrem Gesprächspartner interessiert sind und Kritik konstruktiv formulieren wollen, setzen Sie sinnvollerweise gerade in schwierigen Gesprächssituationen Ich-Botschaften ein – wir werden diesen Gedanken im nächsten Mini-Skript noch einmal vertiefen.